"Ob das was werden kann?“ Am Anfang unseres neuen Bildungsangebots für Brautpaare stand ein wirklich großes Fragezeichen. Denn Brautpaare wollen ja bekanntlich vor allem eines: eine auf sie individuell zugeschnittene Trauung und dazu am besten noch eine individuelle Begleitung auf dem Weg zur Hochzeit.
Sogenannte Hochzeitsplaner*innen und freie Trauredner*innen versprechen genau das und haben entsprechend Hochkonjunktur – und das mittlerweile auch bei den Kirchenmitgliedern, die nur noch wenig Bezug zur Kirche haben. Die Kasualie Trauung wird angesichts dieser Entwicklung immer mehr zur Herausforderung für alle kirchlichen Beteiligten: für Pfarrer*innen, die gezielt von Brautpaaren auch von außerhalb der eigenen Gemeinde angefragt werden, und für die Verantwortlichen in den Kirchengemeinden, deren Kirchengebäude für Hochzeiten besonders attraktiv sind. In unserem Dekanat ist das zurzeit insbesondere in Auernhofen der Fall, wo viele Brautpaare ihre Hochzeit feiern und sich in der Heiligkreuz und St. Blasius Kirche nebenan gerne trauen lassen wollen. Die aktuelle Vakanzsituation der Pfarrei dort hat uns daher zu ungewöhnlichen Schritten motiviert:
Wir haben die Brautpaare, die diesen Sommer dort heiraten, aber gleichsam „von außerhalb“ sind, gezielt zu einer Trauvorbereitung online eingeladen. Ein erster pragmatischer Gedanke dahinter war, den oder die für die Trauung dann zuständige Pfarrerin auf diese Weise zu entlasten. Doch als es um die Inhalte ging, kam schnell noch eine viel grundsätzlichere Überlegung dazu. Anders als bei klassischen Ehevorbereitungsseminaren sollte es nämlich nicht um die eheliche Partnerschaft mit all ihren Herausforderungen gehen, sondern nur um die Trauung selbst. Ziel war es, nicht bei den eher äußeren oder organisatorischen Vorbereitungen wie der Deko oder auch dem Gottesdienstablauf anzusetzen. Sondern die Brautpaare stattdessen zu ermutigen, gleichsam von Innen her ihre Hochzeit anzugehen, also von dem her, was Sie zutiefst in Liebe verbindet und sich daher auch konkret nach außen zeigen will. Zentral wurden daher die Fragen: Was ist Euer Lebensthema, mit welchem Trauspruch erfahrt Ihr hierbei Tiefgang und wie kann Euer gegenseitiges Trauversprechen - um ein paar Worte individuell ergänzt - Eure Liebe ganz persönlich zum Ausdruck bringen?
„Auf diese Weise wird Eure Trauung einmalig“- mit diesem vollmundigen Versprechen versuchte ich gleich am ersten der drei Abende die 6 Paare, die sich angemeldet hatten, für das gemeinsame Vorhaben gewinnen. Doch eigentlich waren alle von Anfang irgendwie begeistert allein von der Mischung aus Menschen, die da auf wundersame Weise zusammengekommen waren und sich aus der Region und aus München und Berlin und sogar aus Dubai eingeloggt hatten.
Nach Abschluss dieses ersten Kurses kann ich aber nun auch wirklich sagen: „Es war ein echtes und einmaliges Geschenk für mich, mit diesen Brautpaaren über zwei Monate hinweg unterwegs gewesen zu sein. Denn sie alle haben sich nicht nur als Zweierteam auf alle Herausforderungen eingelassen, sondern auch im großen Team. Sie haben oft ganz Persönliches geteilt und erlebt, wie andere Anteil daran nehmen und wie dadurch echte Weggemeinschaft entsteht. Und sie haben alle etwas gefunden, was mich sicher macht, dass ich nicht zu viel versprochen habe, nämlich Gottesnähe und Gottvertrauen in die Liebe, die sie als Paar zusammengeführt hat.
Damit komme ich zu dem, was ich selbst erlebt habe: Dass wir es als Kirche wirklich mit der Kraft der Liebe zu tun haben! Diese Kraft ermöglicht es, dass sich neue Räume öffnen und das genau das passiert, was Kirche ist und will, nämlich dass Menschen berührt werden und einander berühren mit ihrer Ehrlichkeit und ihrem Sehnen nach Liebe und Leben. In diesem Sinne plädiere ich für daher für ein Mehr an offenen Türen, die zu Räumen der Begegnung führen zwischen Gott und uns Menschen, also für ein Mehr an Willkommenskultur.
Das Wort Willkommenskultur besagt, dass wir Offenheit kultivieren können, also wirklich etwas Konkretes tun können.
Bezüglich der Kasualie Trauung schlage ich daher vor, dass wir lernen, unseren Blick auf Brautpaare neu zu kultivieren. Mit ihnen bekommen wir „Alteingesessenen“ die Chance überhaupt zu sehen, wie Gottes Geist in dieser Welt wirkt. Durch sie nämlich werden unsere Kirchen zu begehrten Orten der Begegnung und Verkündigung und zu Sehnsuchtsorten. Gerade durch diese Brautpaare von „außen“ werden wir daher angeregt, unseren Blick zu weiten auf Gottes wanderndes Gottesvolk. Denn wir alle sind gleich wertig und würdig unterwegs - egal ob wir uns einer Kirchengemeinde zugehörig fühlen oder nicht. Dieser Blick erlaubt uns klar zu sehen, wie sehr wir alle einander brauchen. Denn was könnte nicht alles entstehen, wenn wir unser Miteinander kultivieren wollten? Was kämen uns da an Projektideen, wofür andere gerne über die eigene Hochzeit hinaus Anteil nehmen würden? Allein solche Fragen könnten uns helfen, uns als Gemeinde rund um ein Kirchengebäude bewusst neu auszurichten und ein eigenes starkes Profil zu gewinnen.
„Mich hat am meisten gefreut, dass Kirche nach vielen Jahren so ganz unerwartet auf uns zugekommen ist.“ Dieser Satz einer Teilnehmerin hat den notwendigen Perspektivwechsel für uns nochmal auf den Punkt gebracht: Kirche lebt von der Einladung. Vom Hingehen. Vom Türenöffnen. Denn wir alle brauchen die Zusage: „Du bist willkommen inmitten dieser Welt!“ Lasst uns daher zu solchen Willkommensgemeinden werden voller Willkommensmenschen. Zu Menschen die sich selbst eingeladen wissen und daher andere gerne einladen. Wenn das passiert, dann kann ich Euch versprechen: Das mit unserer Kirche - das kann echt was werden!
Heidi Wolfsgruber
Pfarrerin und Bildungsbeauftragte