Eine Tora im Museum Kirche in Franken?

Tora und Jad  Ausstellung Große Synagoge in Wlodawa, Polen
Bildrechte Merlin auf de.wikipedia.org/wiki/Tora

MKF_onScreen mit einem Blogbeitrag von Heidi Wolfsgruber:

Was meinen Sie, gibt es im Museum Kirche in Franken wohl auch eine Tora? Schließlich teilt das Christentum doch Heilige Schriften mit dem Judentum. Um fündig zu werden, müssen wir uns erst noch einmal in Erinnerung rufen, was denn mit Tora überhaupt gemeint ist.

Die Tora umfasst im klassischen Sinn die fünf Bücher Mose und wird auch die „Mosetora“ genannt. Übersetzt ins Deutsche, heißt Tora „Unterweisung“. Ursprünglich war damit die Belehrung durch Eltern oder eines Priesters gemeint. Erst später wird sie mit Moses Namen verbunden und steht für den Gesamtkomplex der fünf Bücher Mose. Der griechisch-lateinische Name Pentateuch, „das in fünf Gefäßen aufbewahrte Buch“ deutet noch darauf hin, dass die umfangreichen Texte auf Rollen aus Papyrus oder Leder geschrieben wurden. In der Tora steht die Geschichte des Volkes Israel von der Schöpfung bis zur Ansiedlung in dem Land, das Gott einst Abraham verheißen hat. Gleichzeitig handelt sie davon, wie man leben soll, beinhaltet Gebote, Gesetze, Regeln.

Im weiteren Sinn ist Tora aber auch die Bezeichnung für die ganze jüdische Bibel, also für das, was das Christentum als „Altes Testament“ bezeichnet oder das Judentum als „Tanach“. Die 24 Schriften in hebräischer Sprache (je nach Zählung auch 22 oder 39) unterscheiden sich hier jedoch hinsichtlich ihrer Anordnung.

Kleiner Exkurs
In der hebräischen Bibel ist die Tora des Mose das Zentrum der Heiligen Schrift. Um sie herum gruppieren sich die zwölf prophetischen Schriften, die Nevi’im, die in „Vordere Propheten“ und „Hintere Propheten“ unterteilt werden. Auf sie folgen die elf „Heiligen Schriften“, den Ketuvim, zu denen die drei Bücher der Weisheit (Psalmen, Sprüche, Hiob), die fünf Megillot (Ruth, Hoheslied, Kohelet, Klagelieder, Ester) und die übrigen Bücher (Daniel, Esra - Nehemia, Chronik) gehören. Geschichtserinnerung und Verheißung kommen so zusammen. Martin Luther dagegen hat die Schriften des Tanach in einer Art geschichtlichen Reihenfolge angeordent, die zwar ebenfalls mit der Tora des Mose beginnt, dann aber die Geschichtsbücher von den Schriftpropheten trennt und diese an letztere Stelle rückt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die jüdische Geschichte abgeschlossen ist und sich die Verheißung der Propheten auf Jesus Christus bezieht.

Mit dem Begriff Tora wird aber auch die Tora-Rolle bezeichnet, aus der im jüdischen Gottesdienst gelesen wird. Es handelt sich dabei um eine handgeschriebene Rolle aus Pergament. Darauf geschrieben ist der Text der fünf Bücher Mose in unpunktierten hebräischen Buchstaben. Eine solche Tora für den Gottesdienstgebrauch ist per Hand geschrieben – und zwar von einem Sofer, einem speziell dafür ausgebildeten Schreiber.

Eine Torarolle besitzt des Museum Kirche in Franken nicht, aber historische Bibeln – und darin finden sich eben auch die Texte der Tora. Ich bin neugierig, was sich mit Blick auf die Tora in einer Bibel entdecken lässt und schlage zwei unserer Bibeln auf...

Wust-Bibel
Auf den einleitenden Seiten der so genannten Wust-Bibel, gedruckt 1665 in Frankfurt von Balthasar Christoph Wust d. Ä., findet sich ein Hinweis darauf, wie bedeutsam im Judentum jeder einzelne Buchstabe der Thora ist:

„Und Josephus zeuget von ihnen / daß in so langer Zeit niemand unter ihnen sich unterstanden / etwas hinzu oder hinweg zu thun / oder im geringsten darinnen zu ändern/ ja daß es den Juden von Kindheit auff eingepflanzet und gleichsamb angeboren sey / daß sie lieber / da es von nöhten / ihr Leben lassen solten / als gestatten / daß etwas in der H. Schrifft geändert werde/…“

Noch heute weist die Redewendung „Um kein Jota verändern“ auf die Bedeutsamkeit jedes Buchstaben in der Hebräischen Bibel hin, von denen das Jota der kleinste ist und unserem „i“ entspricht. Dahinter zeigt sich die bis heute gelebte orthodoxe theologische Auffassung, dass jedes Wort der Tora Wort Gottes ist und kein Buchstabe von Gottes Wort verloren gehen darf.

Dilherr-Bibel
Die in Nürnberg zwischen 1723 und 1788 erschienene Bibel aus dem Endter Verlag ist reich bebildert. Im 2. Buch Mose, Kapitel 3 findet sich die Erzählung von Moses Berufung. Gott ruft Mose aus dem brennenden Dornbusch heraus zu und stellt sich ihm dann vor:

„Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abraham, der Gott Isaac und der Gott Jacob“ (Vers 6)

Und weiter: „Ich werde sein, der Ich sein werde.Und sprach: So solt du zu den Kindern Israel sagen: ‚Ich werde sein‘, der hat mich zu euch gesandt.“ (Vers14).

So zumindest übersetzt Martin Luther. Denn die Ausdeutung des Gottesnamens lässt sich nicht nur futurisch, sondern auch präsentisch lesen: „Ich bin der ‚ich bin da‘.“ bzw. „Der ‚Ich bin da‘ hat mich zu euch gesandt.“ Er spielt folglich mit der Mehrdeutigkeit.

Unlösbar verknüpft ist hier der Gottesname mit der Erwählung und Errettung des Volkes Israel. Weil im Judentum und Christentum die gleichen biblischen Schriften als heilig gelten, ist es unerlässlich, die jeweils andere Tradition und Leseweise zu achten und von und miteinander zu lernen. Daher spricht die neuere christliche Theologie nicht mehr vom „Alten Testament“ sondern vom „1. Testament“ oder von der „Hebräischen Bibel“.

 

Literatur:

Schmidt, Werner H., Einführung in das Alte Testament, 4., erweiterte Auflage, Berlin – New York 1989

Zenger, Erich u.a., Einleitung in das Alte Testament, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Stuttgart – Berlin – Köln 1996